Künstliche Intelligenz unterstützt bei Verfolgung von Abrechnungsbetrug in der Pflege
News vom: 04.07.2023
Projekt »PflegeForensik« gehen Forschende des Fraunhofer-Instituts für Techno- und Wirtschaftsmathematik ITWM in Kaiserslautern gemeinsam mit der Generalstaatsanwaltschaft Dresden und dem Kommissariat für Wirtschaftskriminalität der Polizeidirektion Leipzig mithilfe von KI gezielt gegen Abrechnungsbetrug im Pflegedienst vor. Die Arbeiten wurden vom Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) im Programm »Forschung für die zivile Sicherheit« gefördert.
Abrechnungsbetrug im Gesundheitswesen verursacht jährlich Schäden von mehreren Milliarden Euro. Durch die Digitalisierung von Prozessen ergeben sich neue Möglichkeiten, Betrug systematisch zu entdecken – sei es in der Pflege, in Krankenhäusern oder der öffentlichen Verwaltung. Im Projekt »PflegeForensik« entwickeln die Projektbeteiligten seit 2021 eine Softwarelösung, die mit Künstlicher Intelligenz (KI) bei den Ermittlungen unterstützt sowie bei Arbeiten, die früher rein manuell durchgeführt wurden.
Algorithmen auf der Suche nach Auffälligkeiten
Im Fokus des Projekts standen zunächst die Algorithmen zum automatischen Einlesen und intelligenten Auswerten der Papierberge. Denn fast jeder Pflegedienst hat seine eigenen, unterschiedlich aufgebauten Papierdokumente, die oft nur analog vorliegen und sogar handschriftliche Elemente beinhalten. Das automatisierte Prüfen hiervon stellte die Beteiligten vor eine echte Herausforderung. »Diese verschiedenen Dokumente werden manuell in Tabellen übertragen und geprüft. Das ist mühsame Fleißarbeit. Mit Bildverarbeitung beschleunigen wir diesen Prozess«, erklärt Dr. Henrike Stephani, stellvertretende Leiterin der Abteilung »Bildverarbeitung« am Fraunhofer ITWM. »Sowohl die Dokumentenstruktur lässt sich mit unseren Algorithmen erfassen als auch die Inhalte. Beispielsweise finden sie Unterschriften und ordnen sie den richtigen Personen zu.«
Gleichzeitig sind Touren- und Dienstpläne die Planungsbasis von Pflegediensten. Diese mit den Abrechnungsdaten zu vergleichen, kann Hinweise auf Betrugsfälle liefern.
»Eine Auffälligkeit besteht zum Beispiel darin, dass viele Leistungen abgerechnet werden, aber der Tourenplan nur einen kurzen Einsatz listet. Solche Besonderheiten müssen wir automatisiert finden«, ergänzt Dr. Elisabeth Leoff. Sie ist Projektleiterin und stellvertretende Leiterin der Abteilung »Finanzmathematik« beim Fraunhofer ITWM. »Unsere KI wird den Menschen im Prozess zukünftig natürlich nicht ersetzen, aber erheblich unterstützen«.
KI wird erst durch aufwändiges Training intelligent
Um diese Auffälligkeiten zu finden und digital auszuwerten, haben die Forschenden gemeinsam mit den Anwender:innen typische Ermittlungen in mathematische Modelle übersetzt. Hier hat das Team realistische Szenarien erstellt und die dazugehörigen Auswertungen durchgespielt.
Zum Trainieren der KI-Algorithmen wurde vom ITWM-Team und der Polizeidirektion Leipzig mit großem Aufwand Datenannotation betrieben. Das heißt: Mehrere hundert Dokumente sind zunächst anonymisiert, und dann mit Eigenschaften manuell markiert worden, um den Algorithmus intelligent zu gestalten. Auf Basis dessen wird programmiert und auch in Zukunft immer wieder mit Daten getestet und nachgebessert.
PflegeForensik-Demonstrator auf dem Prüfstand
»Unsere Ergebnisse zeigen gute Fortschritte auf dem Weg zu einer Software, die die Arbeit der Strafverfolgungsbehörden vereinfacht, aber auch von Versicherungen zur Prüfung der Abrechnungsunterlagen eingesetzt werden kann«, berichtet Leoff. »In der letzten Projektphase haben wir den Demonstrator weiter auf Echtdaten getestet.« Ende April 2023 fand dazu ein Workshop in Berlin statt. Die Teilnehmenden aus den Reihen der Strafverfolgungsbehörden, Justiz und Krankenkassen probierten den Software-Demonstrator direkt vor Ort aus.
»Das erfreuliche Ergebnis des interdisziplinären Forschungsprojektes zeigt sehr deutlich, dass die Strafverfolgung im Bereich des Abrechnungsbetrugs in der Pflegebranche beschleunigt und effektiver ausgestaltet werden kann. Die große Herausforderung besteht nun darin, die Ergebnisse dieses erfolgreichen Forschungsprojektes in die Praxis zu überführen«, so Generalstaatsanwalt Martin Uebele.
Das Projekt endet im Juni 2023. Im nächsten Schritt heißt es im Idealfall »vom Prototypen zur Produktivsoftware«, die möglichst einfach zu bedienen ist und gleichzeitig gerichtsfeste Ergebnisse liefert. Das Team ist zuversichtlich und freut sich auf die Kontaktaufnahme weiterer Projektpartner.